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Filme für Kinder und Jugendliche
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BJF-Clubfilmothek

Kitchen Stories

Originaltitel: Salmer fra kjøkkenet
Norwegen, Schweden, 2003
Regie: Bent Hamer
Drehbuch: Bent Hamer, Jørgen Bergmark
Kamera: Philip Øgaard
Schnitt: Pal Gengenbach
Musik: Hans Mathisen
Darsteller*innen: Joachim Calmeyer, Tomas Norström, Bjørn Floberg, Reine Brynolfsson u.a.
Produktion: Bulbul Films, BOB Film, SFI, United King
BJF-Empfehlung: ab 12 Jahren, FSK: ab 12 freigegeben
Länge: 93 Minuten
Spielfilm, Farbe


In den 50er Jahren hält in Schweden der Fortschritt Einzug: ausgiebige Untersuchungen des nationalen Forschungsinstituts für Heim und Haushalt haben die durchschnittlichen Wegstrecken evaluiert, die eine Hausfrau tagtäglich für ihre Küchenarbeiten zurücklegen muss, welche sich in einem Jahr auf die Entfernung von Schweden bis zum Kongo addieren. Durch die Optimierung der Küchenstruktur konnte diese Gesamtwegstrecke bereits auf die Distanz bis nach Norditalien verkürzt werden, und angeheizt von solch phänomenalen Forschungserfolgen hat man jetzt eine in der Küche wesentlich unbedarftere Zielgruppe im Auge: Den männlichen Junggesellen.
Und so macht sich ein Beobachtungskommando mit Wohnwagen und Hochsitz auf in einen kleinen Ort in Norwegen, wo sich einige Probanden gefunden haben, die sich für einige Wochen bei ihren Küchenarbeiten über die Schulter schauen lassen wollen. Die Regeln sind hart: Auf dem eigens entworfenen Hochsitz in der Küche zeichnet der staatliche Beobachter jeden Schritt seines Probanden akribisch nach, doch Interaktion ist strengstens untersagt. Keine Hilfestellung, kein Gespräch, kein persönlicher Kontakt.
Da hat man in der Praxis manchmal seine liebe Not, vor allem wenn man wie der pedantische Folke (Tomas Norström) als Beobachtungssubjekt den sturen alten Isaak (Joachim Calmeyer) zugewiesen bekommt. Der hat nämlich gar keinen Bock mehr auf die Untersuchung, macht zuerst noch nicht mal die Tür auf und sabotiert die Aufzeichnungen anschließend, wo er nur kann. Da wird das Essen dann eben auf dem Gaskocher im Schlafzimmer zubereitet, und durch ein Loch in der Decke macht er den Beobachter kurzerhand zum Beobachteten.
Skandinavische Filme sind lakonisch, trocken, skurril und kauzig - das könnte man als ein weit verbreitetes Vorurteil bezeichnen, wenn es nicht so oft ins Schwarze treffen würde. Und das im positivsten Sinne: Denn auch "Kitchen Stories" glänzt mit diesen Paradeeigenschaften des skandinavischen Films, und gewinnt mit seiner charmanten Eigenwilligkeit das Publikum in Windeseile.
Und das, obwohl Geschwindigkeit gerade kein Charakteristikum des nordischen Films ist: Mit einer bedächtigen Ruhe, die man sich bei ständigen tiefen Minusgeraden wohl so aneignet, entwickelt "Kitchen Stories" seine Geschichte und baut die schwierige Beziehung zwischen seinen Hauptfiguren genussvoll und vor allem hochgradig wortkarg auf: Eben weil Folke und Isaak sich gar nichts sagen dürfen (und das zunächst auch nicht wollen), herrscht hier konsequente Dialogarmut, die den grandios agierenden Hauptdarstellern die Chance gibt, mit ihren fein herausgearbeiteten Gesten die leise Komik ihrer abstrusen Situation zu transportieren - und das funktioniert hervorragend. "Kitchen Stories" erzeugt so nur wenige Gags, die für brüllendes Gelächter taugen, zaubert aber ein fast konstantes, wohliges Grinsen auf das Gesicht des Zuschauers.
Daran ändert sich auch nicht viel, wenn das Eis zwischen Isaak und Folke langsam zu schmelzen beginnt und sich zwischen den beiden eine besondere Freundschaft entwickelt, die gleichzeitig auch die Absurdität der ursprünglichen Beobachtungsaufgabe unterstreicht und sogar ein kleines bisschen Rebellion gegen das System darstellt - das sich allerdings ohnehin schon von innen selbst sabotiert und nie wirklich funktioniert hat, wie die Nebenhandlung um Folkes Kollegen und Vorgesetzte zeigt.

Mit der Spitzenleistung der norwegischen Schauspiel-Legende Joachim Calmeyer (der für seine Arbeit und Verdienste ums norwegische Theater jüngst zum Ritter geschlagen wurde) als Aushängeschild konnte "Kitchen Stories" bei den Nordischen Filmtagen letztes Jahr bereits den baltischen Filmpreis ergattern - und geht als Beitrag Norwegens ins Rennen um den nächsten Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Zu recht, denn "Kitchen Stories" ist ein Film wie sein Entstehungsland: Er macht keine großen Wellen in der Weltgeschichte, aber kann mit einem ganz eigenen Charme und sympathischer Kauzigkeit dafür sorgen, dass einem ohne ihn doch etwas fehlen würde.

Pressezitate:
"Mit sparsamen Mitteln und Gefühl für eine subtile Komik entwickelt Regisseur Bent Hamer (...) eine Studie über die vorsichtige Annäherung zweier einsamer Menschen."
(Raimund Gerz, epd Film 2/2004)

"In einer urkomischen, von politischem Hintersinn getragenen Inszenierung werden die skurrilen Figuren und die zeitgenössischen Fortschrittsabsurditäten liebevoll-ironisch porträtiert und verdichten sich zu einer universellen Geschichte um Annäherung und Freundschaft, an der nicht zuletzt auch die ausgezeichneten Darsteller ihren Anteil haben."
(Rolf-Ruediger Hamacher, film-dienst 03/2004)

 

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Im Rahmen des:

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