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Filme für Kinder und Jugendliche
BJF-Clubfilmothek

This is England

Großbritannien, 2006
Regie: Shane Meadows
Drehbuch: Shane Meadows
Kamera: Danny Cohen
Schnitt: Chris Wyatt
Musik: Ludovico Einaudi
Darsteller*innen: Thomas Turgoose, Stephen Graham, Jo Hartley, Andrew Shim, Joe Gilgun, Vicky McClure u. a.
Produktion: Big Arty, EM, Film4, Optimum, Screen Yorkshire, UK Film Council, Warp
BJF-Empfehlung: ab 12 Jahren, FSK: ab 12 freigegeben
Länge: 97 Minuten
, Farbe


England in den frühen 80ern. Der zwölfjährige Shaun, dessen Vater vor kurzem beim Falkland-Krieg gefallen ist, ist der geborene Außenseiter: Klein, dicklich, unreif und mit denkbar uncoolen Klamotten ist er inmitten von all den Mods, New Romantics und Rude Boys an der Schule eine beliebte Zielscheibe des Spotts. Als er eines Tages wieder einmal frustriert nach Hause läuft, begegnet er dem Skin Woody. Dieser entpuppt sich trotz seines martialischen Äußeren als netter Kerl und nimmt den Kleinen in seine Gruppe auf. Zunächst orientiert sich Shaun noch an dem eher unpolitischen Woody, doch bald findet er einen gefährlicheren Ersatz-Daddy. Denn der rechtsnational gewirkte Combo wird aus dem Knast entlassen und beansprucht seine alte Führungsrolle in der Gang ...

Auszeichnungen: Sonderpreis der Jury beim Filmfestival in Rom 2006; British Independent Film Award 2006 als bester Film; Hauptdarsteller Thomas Turgoose gewann den Preis als bester Nachwuchsdarsteller

Pressezitate:
„Shane Meadows, der in der englischen Filmszene bis zu diesem Film eher als Außenseiter galt, erweist sich mit ‘This is England’ als kritischer Chronist der achtziger Jahre und genauer Beobachter der Skinhead-Bewegung. Ohne überflüssige Mätzchen und mit feinen Details erzählt er von der schleichenden Verelendung der Arbeiter in jenen Jahren, von der Perspektivlosigkeit der Jugend, die zwischen blinder Rebellion und drakonischen Prügelstrafen an den Schulen ziellos agiert und vor allem vom Schicksal des kleinen Shaun, der exemplarisch für weite Teile der britschen Skinhead-Szene in den Dunstkreis der National Front gerät, bis er sich wieder daraus befreien kann.“
(Joachim Kurz, kino-zeit.de)

Gutachten des Arbeitskreises Filmbildung (von Reinhold T. Schöffel):
1. Kurzinhalt:
Der 12jährige Shaun erlebt im Sommer 1983 in einer englischen Hafenstadt den Übergang vom Kind zum Jugendlichen. Sein Vater ist im Falklandkrieg gefallen, in der Schule und auf der Straße muss er sich behaupten. In der Skinheadbande von Woody findet Shaun Anschluss und Anerkennung. Ein älteres Mädchen aus der Bande erklärt sich einverstanden, seine Freundin zu werden. Als der wesentlich ältere Combo nach einem Gefängnisaufenthalt wieder zu der Bande stößt, ändert sich der Ton unter den Jugendlichen. Combo führt die Bande mit rechtsradikalen und ausländerfeindlichen Sprüchen zu einer Versammlung der National Front. Woody und einige weitere, auch farbige Mitglieder verlassen angewidert die Bande. Eine Handvoll anderer, darunter auch Shaun, machen Combos Pöbeleien mit. Bald terrorisieren sie die ganze Nachbarschaft. Immer weiter steigern sich Combo und seine Bandenmitglieder in ihre wirre Ideologie hinein. Bald besteht ihr Leben nur noch aus Saufgelagen und Pöbeleien. Aber Combo ist nicht nur der harte Kerl, den er gerne darstellt. Er hat auch seine schwachen Seiten, aber auch einen Jähzorn, den er nicht kontrollieren kann. So geschieht eines Tages die Katastrophe, die Shaun endlich die Augen öffnet.

2. Beurteilung:
„Die Inspiration für dieses Projekt kam aus meinen eigenen Erfahrungen als ein junger Skinhead, der genau in den Jahren aufgewachsen ist, in denen der Film spielt. Die pulsierende Musik, die engen Klamotten, diese ‚Scheiß auf den Staat’-Haltung und die rüde Gewalt haben mich damals enorm beeindruckt. Ich glaube, dass diese Zeit der Grund dafür war, dass ich Filmemacher geworden bin.“ (Shane Meadows)

Der Film ist, wie das Zitat anschaulich beschreibt, autobiografisch nach Erlebnissen des Regisseurs und Drehbuchautors Shane Meadows entstanden. Das wird auch deutlich an der treffenden Beschreibung des historischen Rahmens (Einblendungen von TV-Aufnahmen von Thatcher und vom Falkland-Krieg), an der differenzierten Zeichnung des Milieus und an der genauen Darstellung der Skinheadkultur.

Skinheads waren eine in den 80er Jahren besonders in der englischen Arbeiterklasse weit verbreitete Form der Jugendkultur. Ihre Wurzeln gehen bis in die sechziger Jahre zurück. Ska war der dazu gehörende Musikstil, eine Musik, die schwarze Migranten aus der Karibik nach England gebracht haben und die um 1980 mit Bands wie den „Specials“ und „Madness“ („One Step Beyond“) erneut populär wurde. Bereits an diesem musikalischen Zusammenhang wird deutlich, dass die englische Skinheadkultur ursprünglich überhaupt nichts zu tun hatte mit Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit. Tatsächlich handelt „This is England“ genau davon: Vom Versuch der rechtsradikalen National Front, die Skinhead-Banden zu unterwandern und für ihre Ziele einzuspannen.

Bei Jugendlichen, die mit der Vielfalt der englischen Skinhead-Jugendkultur wenig vertraut sind, dürfte dieser Film für Irritationen sorgen, wenn Skins gemeinsam mit farbigen Freunden zu Reggae- und Ska-Musik feiern. Vor allem in Deutschland zählen die Skinheads ganz überwiegend zur rechten Szene. Unpolitische „Oi-Skins“ oder (linke) „Redskins“ sind seltene Ausnahmen. In England ist das anders. In dem Commonwealth-Staat hat Rassismus zwar eine lange Tradition, die unter Thatcher weiter geschürt wurde. Aber gerade die Jugendlichen in den Arbeitervierteln sind schon seit Generationen gewöhnt, mit Menschen aus den verschiedensten Kulturen zusammen zu leben; sie lassen sich nicht mehr so leicht gegeneinander aufhetzen.

Dafür findet der Film auch ein treffendes Schlussbild: Shaun versenkt die St.-Georges-Fahne, ein Symbol der National Front, im Meer. Er bleibt ein Skin, aber er lässt sich nicht mehr vom dummen Hass der Rassisten anstecken.

3. Zusammenfassung:
England im Sommer 1983: Der 12-jährige Shaun schließt sich einer Skinheadbande an. Der wesentlich ältere Combo trägt seine rechten Ideen in die Gruppe, führt sie zu einer Versammlung der National Front, wo es zur Spaltung kommt. Einige weiße und auch farbige Mitglieder verlassen die Bande. Eine Handvoll anderer, darunter auch Shaun, terrorisieren bald die ganze Nachbarschaft. Immer weiter steigern sich ihre Saufgelage und gewalttätigen Aktionen, bis es eines Tages zur Katastrophe kommt, die Shaun endlich die Augen öffnet.

Ein beeindruckender Film über die englische (!) Skinhead-Kultur, der die Atmosphäre der achtziger Jahre hervorragend einfängt und schon mit seinem Titel ätzenden Spott über die Thatcher-Jahre kippt.

 

Gefördert von

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Stiftung Deutsche Jugendmarke e. V.