Filme, die junge Menschen in den Mittelpunkt stellen
Grußwort von Gudrun Pausewang zum Start der neuen DVD-Reihe „Durchblick“ des BJF am 30. September 2006
Liebe Freunde!
Der junge Mensch, der in die Welt hineinwächst, muss sich dem ihm noch überwiegend unbekannten Leben stellen, muss es kennen lernen, um es bewältigen zu können. Er muss sich Ziele setzen und danach Wege suchen, die sich diesen Zielen nähern. Die Zukunft der heutigen Kinder und Jugendlichen sieht nicht rosig aus. Sie werden sich durchbeißen müssen.
Der Erwachsene möchte dem jungen Menschen dabei helfen. Aber seine Hilfestellung bedarf großer Behutsamkeit. Vor allem verlangt der Heranwachsende von der Eltern- und Großelterngeneration, ernst genommen zu werden. Und er will weder dauern moralische Vorträge hören noch einem Trommelfeuer von Ratschlägen ausgesetzt sein.
Er weigert sich auch, sein Leben auf den Erfahrungen der Alten aufzubauen. Er will sich nicht auf die Erfahrungen anderer verlassen. Er möchte die Höhen und Tiefen des Lebens selber erfahren!
Aber die Welt ist so groß und das Leben in allen seinen Varianten ist so umfassend, dass er doch manche Hilfsmittel akzeptiert, ja sie freudig begrüßt, die seiner Neugier auf das, was ihn erwartet, immer wieder Nahrung geben und Erfahrungen vermitteln. Ihre Rolle bei der Bewältigung des Lebens sollte man nicht unterschätzen.
Für die Kinder- und Jugendjahre meiner Generation war es das Buch. Ich brauche nur mich selbst als Beispiel anzuführen: Auf einem einsamen Anwesen in einer abgelegenen Gegend Ostböhmens aufgewachsen, habe ich in meiner Kindheit und Jugend die Welt über Bücher kennen gelernt.
Natürlich gab es auch schon den Film: ein anderes Medium. Aber was uns jungen Menschen damals – in den Jahren der Hitler-Diktatur – an Filmen gezeigt wurde, war mit wenigen Ausnahmen entweder seichtes Oberflächengeplätscher, das das Volk bei guter Laune halten sollte, oder diente der nationalsozialistischen Ideologie: pathetische Heldenverehrung, Verherrlichung von Kampf und Sieg, überragende Qualität des nordischen Menschen, Lob des bäuerlichen Lebens, Schilderung des Juden als Inkarnation des Bösen. Dass das mit der Wahrheit wenig zu tun hatte, erkannten wir verführten jungen Menschen spätestens nach dem Ende des Dritten Reiches.
Auch in der Gegenwart, in der Filme natürlich eine ganz andere Rolle spielen als damals, werden in den Kinos und auch im Fernsehen viele Filme gezeigt, die nur der Lust an leichter Unterhaltung mit Happy End oder dem Genuss an blanker Gewalt entgegenkommen. Damit ist der Spaßgesellschaft gedient, nicht aber der jungen Generation bei der Mühe, mit den Anforderungen des Lebens klar zu kommen und auf für sie wesentliche Fragen richtungsgebende Antworten zu erhalten. In unserer kapitalistisch ausgerichteten Welt, in der es vor allem um den Profit geht, werden in den meisten Kinos fast nur Filme gezeigt, die das breite Publikum ansprechen, also guten Gewinn erwarten lassen. Dabei handelt es sich of nicht um Filme, die dem jungen Menschen altersgerechte Fantasieanregung oder Lebenshilfe bieten oder sich mit Problemen beschäftigen, die für die Erweiterung seines Wissens wichtig sind. Wenn sich ein Film mit Krankheit, Tod, Armut, Knast, Kinderarbeit und dergleichen beschäftigt, hat er kaum Chancen, in das Programm eines Filmverleihers aufgenommen zu werden. Beispiel: „Station 4“, ein Film in dem es um krebskranke Jugendliche geht.
Auch Kurzfilme und Dokumentarfilme – oft künstlerisch sehr gelungene Filme, manche von ihnen preisgekrönt – haben nicht viel Aussicht, in diese Programme Eingang zu finden. Ähnlich steht es um Filme für Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter.
Hier hat der Bundesverband Jugend und Film e.V. Handlungsbedarf erkannt. Mit der DVD-Filmreihe „Durchblick“ bietet er die international besten Filme für Kinder und Jugendliche als DVDs an – und zwar mit dem Recht für nichtgewerbliche öffentliche Vorführungen in Jugendarbeit und Schule. Es sei noch einmal darauf hingewiesen: Es geht hierbei überwiegend um künstlerisch hochwertige Filme, in denen junge Menschen im Mittelpunkt stehen. Sie bemühen sich, Situationen zu bewältigen, Ziele zu erreichen, sich mit Einzelnen oder einer Gruppe zu arrangieren, Verluste zu ertragen, Gewalt zu vermeiden, jemandem zu helfen, sich selber anzunehmen und Konflikte zu lösen. Der Zuschauer wird motiviert, sich in viele schwierige, heitere oder tragische Lagen von Gleichaltrigen hineinzuversetzen. Dabei lebt und leidet und genießt er mit und erfährt diese Art von Filmen oft tief bewegt als Hilfe in schwierigen Situationen seines eigenen Lebens, ohne sich gegängelt zu fühlen.
Da es sich bei den „Durchblick“-Filmen oft auch um Filme aus anderen Ländern, anderen Kontinenten in nicht synchronisierter Fassung handelt, lernt er dabei – nicht selten ganz unbewusst – auch vieles über das Alltagsleben von Kindern und Jugendlichen, über Denk- und Handlungsweisen, über Bräuche und Feste in fremden Kulturkreisen. Was man vorher nicht kannte, wird vertraut. Filme dieser Art bauen Angst und Aggressionen ab, bewirken Verständnis und Toleranz, dienen also dem Frieden.
Bei diesem Angebot, als Hintergrundinformationen zur Entstehung und künstlerischen Gestaltung des jeweiligen Films einschließt, geht es, wie schon gesagt, nicht um die Frage des materiellen Gewinns, sondern und das ideelle Wohl unserer Kinder und Jugendlichen. Um eine Hilfestellung, die wir, die Erwachsenen, den jungen Menschen eigentlich schuldig sind. Deshalb ist die neue Initiative des Bundesverbandes Jugend und Film e.V. gar nicht hoch genug zu schätzen und zu loben. Man kann ihr nur wünschen, dass viele Leiterinnen und Leiter regionaler und kommunaler Medienzentren, Jugendfreizeiteinrichtungen, Kirchengemeinden, Jugendgruppen und vor allem viele Lehrerinnen und Lehrer von diesem Angebot Gebrauch machen und dafür in ihrem Arbeits- und Umkreis werben.
Aus dieser Initiative, die auch schon den Jüngsten künstlerisch hochwertige Trick- und Spielfilme bietet, können sich viele Aktivitäten für interessierte Jugendliche entwickeln. Zum Beispiel der von einem Fachmann geleitete Versuch, einen Kurzfilm zu drehen, in dem sie Probleme ihres Lebens so darzustellen trachten, dass ein Publikum die Handlung und ihre Motivation versteht. Oder eine ganze Filmwoche in einem Jugendtreff. Oder ein Jugendseminar, in dem junge Leute sich damit beschäftigen, Filme hinsichtlich ihres Realitätsbezuges zu beurteilen.
Um die Erziehung unserer Kinder ist es in Deutschland – so erlebt, hört und liest man es überall – zur Zeit nicht optimal bestellt. Umso dankbarer sollte man für die Hilfestellung eines so engagierten Vereins wie dem des Bundesverbands Jugend und Film sein. Er verdient es, dass man seine DVD-Reihe „Durchblick“ unterstützt und für sie wirbt. Mein Grußwort soll also diese Initiative nicht nur vorstellen und würdigen, sondern auch für sie werben und alle Anwesenden motivieren mitzuhelfen, dass ihr ein voller Erfolg zuteil wird. Alle guten Wünsche sollen ihren Weg in die Öffentlichkeit begleiten!